sputnic - visual artsMai 17th, 2017 Realinszenierung / Theaterrheihe

STADT OHNE GELD

Ein fiktives Wirtschaftsinstitut kooperiert mit dem Schauspiel Dortmund für eine Theaterreihe zur Begegnung von Wirtschaft und Kunst. 18 Teilige Projektreihe am Schauspiel Dortmund, 2010/2011

KONZEPT

Von Oktober 2010 bis Februar 2011 inszenierte sputnic gemeinsam mit dem Regieteam kainkollektiv am Schauspiel Dortmund die Projektreihe Stadt ohne Geld als kritischen Beitrag zur Kulturhauptstadt Europas / Ruhr2010. Es ging dabei insbesondere um die Problematik von Kunst und Theater im Zusammenhang mit den Krisen der Städte und der wachsenden Bedeutung der sogenannten Kultur- und Kreativwirtschaft im 21. Jahrhundert. Dafür wurde das fiktive Wirtschaftsinstitut IfuK – Institut für urbane Krisenintervention erfunden, das zum Schein – und unter dem Beifall des Dortmunder Rates – eine Kooperation mit dem Schauspiel einging. Kunst und Wirtschaft stiegen darauf buchstäblich in den Ring und das ECONOMY DEATH MATCH eröffnete die 18 Teilige Reihe mit Theaterstücken, Vorträgen, Konzerten Diskussionen und Stadtinterventionen zum Thema.

Die Website stadtohnegeld.de gibt eine Übersicht über alle Veranstaltungen, sowie Trailer, Fotos und Mitschnitte der einzelnen Projekte.

Hintergrund

Der Titel Stadt ohne Geld leitete sich dabei zunächst aus der Situation der Städte und Kommunen in Nordrhein-Westfalen ab, die in ihrer großen Mehrheit mit enormen Verschuldungen zu kämpfen haben. So war die Stadt Dortmund zu Beginn der Projektreihe mit einem Haushaltsdefizit von 138 Millionen Euro belastet. In der lokalen Presse kursierte eine „Tränenliste“, auf der alle Sparpotentiale der Stadt von Bädern, Bibliotheken, sozialen Einrichtungen, dem Theater bis zu Dortmunds Superweihnachtsbaum verzeichnet waren. In Anbetracht dieser Liste stellte sich mit großer Dringlichkeit die Frage, was eine Stadt, aus der alle sozialen, kulturellen und öffentlichen Elemente entfernt werden sollen, überhaupt noch sein kann.

Trailer

REALINSZENIERUNG

Das Institut für urbane Krisenintervention

Vor dem Start des Projektes berichtete die regionale Presse wochenlang über eine Kooperation des Dortmunder Schauspielhauses mit einem Kreativwirtschafts-Unternehmen IfuK – Institut für urbane Krisenintervention. Angesiedelt zwischen FDP-Lokalgruppe, ecce4 und der Unternehmensberatung McKinsey, und beglaubigt durch die Existenz einer Homepage, das Erscheinen in zahlreichen Internetforen und Presseberichten, sowie das leibhaftige Auftreten zweier seiner Mitarbeiter. Der Anspruch dieses Unternehmens bestand offensichtlich in nichts Geringerem, als die Prozesse und Effizienzpotentiale des Theaters, sowie die der Stadt Dortmund insgesamt zu optimieren. Ausgerüstet mit dem Sprech der Kulturökonomie und des Marketings erklärte Hendrik Feldkamp allerorten seine Vision einer „Creative City“, wie er sie von Richard Floridas Bestseller „The Rise of the Creative Class“ (2002) herleitete, und beschwor die immensen Kreativitäts- und Zukunftspotentiale der krisengeschüttelten Stadt Dortmund, sowie der gesamten Ruhr-Region. Homebase dieser kreativökonomischen Beschwörungsrituale war das Institut – eine mit Pressspanplatten ins Foyer des Schauspielhauses gesetzte Labor-Holzbox mit Video-Bildschirmen und Internetanschluss, die zum zentralen Segment im Eingangsbereich des Theaters avancierte und der Kooperation zwischen Theater und IfuK eine räumliche Gestalt verlieh. Mitten in einer der wichtigsten Kunst-Institutionen der Stadt schlug ein fingiertes Wirtschafts-Institut sein Lager auf und drang dort scheinbar ein wie ein Virus.

Das Institut für urbane Krisenintervention (IfuK) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut, das seit 2006 besteht. Es widmet sich der Erforschung moderner Urbanität vor dem Hintergrund ökonomischer und sozialer Transformationsprozesse.

DIE THEATERREIHE

Die umfangreiche Reihe, die Theaterstücke, Vorträge, Diskussionen, Konzerte und Stadtinterventionen beinhaltete, wurde mit dem DORTMUNDER KRITIKERPREIS ausgezeichnet.

Viele Mitstreiter und Gäste konnten von den Künstlerkollektiven zusammengebracht werden: So kamen u.A. die Verkäufer der Dortmunder Obdachlosenzeitung bodo mit dem autonome Zentrum Dortmunds, mit Götz Werner, Joseph Vogl, Sven Lindholm, Hannah Hofmann und Christoph Schäfer, sowie dem Team des Schauspiel Dortmunds zusammen.

DORTMUNDER KRITIKERPREIS 2011

Beste Dramaturgie

ÜBERSICHT DER VERANSTALTUNGEN

REALINSZENIERUNGEN
  • IfuK – INSTITUT FÜR URBANE KRISENINTERVENTION
  • KICKSTART – Die Uwe Schleifer Gbr, sputnic
  • TRIBUTE RED STAR, Installation & Performance, Dortmunder U – Zentrum für Gegenwartskunst
THEATER
  • ECONOMY DEATH MATCH – Feierlicher Eröffnung, mit Ifuk, dem Schauspiel Dortmund und UZDO – dem autonomen Zentrum Dortmund, sputnic & kainkollektiv
  • IN DER EINSAMKEIT DER BAUMWOLLFELDER, von Bernard-Marie Koltès, Regie: kainkollektiv
  • ZERO TOLERANCE. TÖTET DIE KREATIVEN!  kainkollektiv
  • ABRISS. RUIN. ERLÖSUNG.  sputnic
  • AUF ZUM KAMPFE, IHR HOLZWÜRMER!  kainkollektiv
  • KAPITULATION, sputnic & kainkollektiv
LABOR
  • STRUKTURWANDELN I-IV, Stadtspaziergänge mit Spezialisten
  • DIE KUNST DES HANDELNS. Wie geht Widerstand im Alltag? Viertägiges Forschungscamp.
 DISKUSSIONEN & VORTRÄGE
  • KREATIVWIRTSCHAFT, Gäste: Christoph Schäfer (Künstler/Aktivist), Tino Buchholz (UZDO), Sven Lindholm und Hannah Hofmann (Theaterwissenschaftler und Künstler), Dr. Christian Esch (NRWKULTURsekretariat), sputnic, kaikollektiv
  • SOZIALE STADT, Gäste: Prof. Dr. Ingrid Breckner (Stadtsoziologin), Prof. Dr. Werner Vogd (Soziologe),
    Bastian Pütter (Redaktion Bodo e.V.)
  • DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN, Vortrag & Diskussion mit Götz Werner
  • DAS GESPENST DES KAPITALS, Vortrag des Philosophen Joseph Vogl
KONZERTE
  • PROVINZTHEATER & THE GALAXY FOUR
  • FAN OF TOGETHER

DIE FILM-DOKUMENTATION

Der 90-minütige Film ist eine Dokumentation der Reihe und umfasst alle Veranstaltungen, sowie Planung und Vorstellung des „Institus“.

CREDITS

Konzeption & Regie sputnic & kainkollektiv
Produktionsleitung Kristin Naujokat
Kostüm Theresa Mielich
Produktion Schauspiel Dortmund / Stadt ohne Geld