Dunkel lockende Welt
Händl Klaus’ Stücke sind Welträtsel über das Verschwinden des Menschen und seiner Geschichte. sputnic hat für das Bühnenbild einen erweiterten Medien-Bild-Raum entworfen, in dem Live-Kameras, imaginäre Landschaften sowie eigens animierte morbide Stop-Motion-Sequenzen ineinandergreifen. In der Inszenierung treffen sie u.a. auf die Pflanzen-Kompositionen von John Cage, inspiriert durch einen Photosynthese-Monolog im Zentrum des Stücks. Was lockt uns in die „Dunkel lockende Welt“, die als das unbekannte Territorium unseres künftigen Zusammenlebens anzunehmen wäre? Vielleicht Sounds, Lieder, Aufnahmen unbekannter Geschöpfe?
In „Dunkel lockende Welt“ ist Marcel Tobler, Chirurg und Freund der jungen Ärztin Corinna Schneider, „verschwunden“. Der Vermieter Joachim Hufschmied verstrickt Corinna in eine Plauderei, die einem subtil geführten Verhör gleich kommt. Joachim staunt über das bilderlose und von Corinna „klinisch rein“ geputzte Haus, aus dem sie auszuziehen im Begriff ist, um ihrem Freund nach Peru zu folgen. Im Verlauf des Gesprächs geht es um Totenrituale auf Madagaskar, das Elend der Kranken in Peru, Eis und Kälte in Finnland, um Afrika, die „dunkel lockende Welt“, und immer wieder um den Tod.
Nimmt man die Tatsache ernst, dass in Händls Stücken anwesend ist, was in der Sprache vorkommt, so entstehen in den knappen Dialogen in „Dunkel lockende Welt“ Umrisse einer Landkarte der uns gleichermaßen bekannten wie unbekannten globalisierten Welt zwischen Dortmund und Peru, Tirol und Afrika. In dieser globalisierten Landkarte ist auch das Erbe der politischen Geschichte des 20./21. Jahrhunderts unsichtbar verzeichnet – eine (alte) Welt, im Verschwinden begriffen.
kainkollektiv lässt im Schlosstheater Moers und im Ringlokschuppen Mülheim musikalische Treibhäuser entstehen, an denen das traumatische Erinnern wuchern kann. Inspiriert durch einen langen Monolog über die Photosynthese in „Dunkel lockende Welt“, indem die naturwissenschaftliche und die menschliche Welt aufs Merkwürdigste kollidieren, nimmt die schwarze Kriminalkomödie musikalisch einen Dialog u.a. mit John Cage auf, mit seinen Kompositionen für Pflanzen, deren Variation kainkollektiv gemeinsam mit dem Percussionist Carsten Langer erarbeitet. Zudem beschleunigt der Medienkünstler Malte Jehmlich (sputnic) ähnlich den durch Lichtenergie motivierten Prozessen der Photosynthese das musikalische Wuchern mittels Projektionen, um das Verschwinden der Welt in den Bildern zu dokumentieren.
Credits
Inszenierung kainkollektiv (Fabian Lettow, Mirjam Schmuck)
Bühne und Video sputnic (Malte Jehmlich)
Musik Carsten Langer, Mirjam Schmuck
Dramaturgie Nicole Nikutowski
Regieassistenz Stefan Eberle
Animationsassistenz Julia Zejn
Mit Matthias Heße, Marieke Kregel, Katja Stockhausen,
Carsten Langer (Percussions), Mirjam Schmuck (Piano)
Produktion kainkollektiv in Koproduktion mit dem Schlosstheater Moers
und dem Ringlokschuppen Mülheim a.d. Ruhr.
Fotos Jakob Studnar