Hagar
INHALT
HAGAR bedeutet übersetzt „die Fremde“. Es handelt sich um eine wenig bekannte religiöse Figur, die jedoch sowohl im Christentum und Judentum als auch im Islam eine wichtige Rolle spielt. Hagar ist die Neben-Frau Abrahams, die in mancher Überlieferung als ägyptische Magd, in anderer als Pharaos Tochter beschrieben wird, mit deren Hilfe Abraham und seine Frau Sara ihre Kinderlosigkeit beenden wollen. Hagar wird zur Leihmutter, sie gebiert Abraham einen Sohn, Ismael. Doch als Sara Jahre später selbst schwanger wird und Isaak zur Welt bringt, verstößt Abraham Hagar und Ismael. Diese flüchten in die Wüste, wo sie beinah verhungern. Ismael, der im Islam als Prophet verehrt wird, wird schließlich zum Stammvater der Araber und lässt damit die arabisch-islamische Tradition auch als eine verdrängte christlich-jüdische Familienaffäre lesbar werden. Ausgehend von dieser Geschichte entwickelt kainkollektiv in HAGAR gemeinsam mit unterschiedlichen Kulturvereinen und Gemeinden in Bochum ein Chorstück über die Möglichkeit der „unmöglichen Weltfamilie“. Im Dialog der kainkollektiv- und Schauspielhaus-Künstler mit religiösen/kulturellen Gruppen der Stadt geht es dabei um eine Übermalung der Hagar-Geschichte im Sinne einer Neu-Erzählung der familiären Verflechtungen zwischen den Religionen und Traditionen. Ausgehend vom Partikulären und Banalen begeben sich die Performer*innen auf die Suche nach Möglichkeiten des Zusammenlebens im globalen Kontext. Sie loten die mal alltäglich, mal schicksalhaft wirkenden Motive des HAGAR-Sujets aus – Eifersucht, Kinderwunsch, Liebe, Opfer, Glaube, Rettung werden erprobt und erfahren unter der Begleitung traditionsreicher Gesänge und Melodien der verschiedenen Glaubensgemeinschaften Bochums.
In HAGAR will kainkollektiv in einer musik-theatralen Inszenierung sowohl die Familien-Geschichten als auch diese unterschiedlichen religiösen Rituale und Gesänge hörbar machen. Zwischen szenischem Konzert und Opern-Performance wird in HAGAR der Theaterraum zur Versammlungsstätte, in der sich die lokal-globale Weltfamilie (Bochums) selbst begegnet. Was heißt es heute, in Bochum zusammen zu leben, zu singen, zu beten? Während die Verwicklungen der Gegenwart ins Unabsehbare wuchern, inszeniert kainkollektiv ein Familienfest unter fremden Verwandten und entfernten Nachbarn. Hagar ist die Schutzpatronin dieser Zusammenkunft, in der die lokale Weltgesellschaft zu sich selbst kommt, indem sie sich fremd wird: Welcome home, all you beautiful strangers!
CREDITS
Inszenierung kainkollektiv
Bühne und Kostüme Zdravka Ivandija Kirigin
Video sputnic
Performer Kristina Peters, Kerstin Pohle, Simin Soraya, Edith Voges Nana Tchuinang, Antoine Effroy, Bianca Künzel, David Guy Kono, Florian Lauss, Catherine Jodoin
Musik Rasmus Nordholt-Frieling
Streichquartett Pedro Barreto, Birte Jahnke, Christian Styma, Williame Thierry
Chöre ECC-Choir und Montagschor aus Essen-Werden, Bochumer Kinderchor, Chor BAT KOL DAVID
Sänger Issam Bayan
:Produktionsleitung / Dramaturgie Mina Novakova
Fotos Nils Voges